Neue Studie untersucht soziale, ökologische und gesundheitliche Auswirkungen einer Verkehrswende

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Im Auftrag des Umweltbundesamts hat das Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT in Zusammenarbeit mit der Freien Universität Berlin und dem Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER) der Universität Stuttgart die Studie »Verteilungswirkungen einer Verkehrswende« durchgeführt. Die Untersuchung quantifiziert fiskalische Effekte und bewertet die sozialen, ökologischen und gesundheitlichen Wirkungen von 33 Ausgestaltungsoptionen verkehrspolitischer Instrumente in Deutschland bis zum Jahr 2030.

Im Zentrum der Studie steht die Frage, wie eine sozial gerechte Verkehrswende gestaltet werden kann, die zugleich die Umweltbelastungen verringert. Besonders die Auswirkungen auf sozial benachteiligte Gruppen, etwa einkommensschwache Haushalte, ältere Personen und Menschen in ländlichen Regionen, werden betrachtet, um Maßnahmen zu entwickeln, die diesen Gruppen zugutekommen und soziale Ungleichheiten abbauen.

Die wichtigen Ergebnisse im Überblick

Bestehendes Verkehrssystem
Das derzeitige Verkehrssystem sowie bestehende verkehrspolitische Instrumente, beispielsweise das Dienstwagenprivileg, die Entfernungspauschale und die Energiesteuer, fördern vorwiegend den motorisierten Individualverkehr. Dies verstärkt soziale Ungleichheiten und hat erhebliche negative Auswirkungen auf Umwelt und Klima. Von steuerlichen Vorteilen und subventionierten Mobilitätskosten profitieren überwiegend Haushalte mit höherem Einkommen, da einkommensschwache Haushalte oft nur unzureichend Zugang zu den begünstigten Mobilitätsalternativen haben. Sozial schwächere Gruppen sind darüber hinaus stärker von Umweltbelastungen wie Luftverschmutzung betroffen.

Ökologische Reformmaßnahmen
Zu den wirkungsvollsten Maßnahmen zur Reduktion der CO2-Emissionen gehören ein deutlicher Anstieg des CO2-Preises, die Einführung einer streckenbezogenen Pkw-Maut sowie ambitioniertere Flottenzielwerte. Auch die Reform der Entfernungspauschale und die Abschaffung des Dienstwagenprivilegs würden positiv zur Klimawirkung beitragen, allerdings in geringerem Umfang. Diese Reformen erhöhen die Kostenwahrheit von Mobilität und setzen Anreize zur Reduktion des motorisierten Individualverkehrs zugunsten umweltfreundlicherer Mobilitätsformen. Insbesondere die Lebensqualität sozial schwächerer Bevölkerungsgruppen, die in stark belasteten Gebieten leben, könnte durch geringere Luftverschmutzung und weniger Lärm steigen. Die untersuchten Maßnahmen hätten insgesamt überwiegend positive Verteilungswirkungen, da sie vor allem Haushalte mit höherem Einkommen treffen, die stärker von steuerlichen Vorteilen wie der Entfernungspauschale und dem Dienstwagenprivileg profitieren und deren Mobilität häufiger Pkw-gebunden ist. Allerdings könnten sozial schwächere Bevölkerungsgruppen, insbesondere einkommensschwache Haushalte und Menschen in ländlichen Regionen, stärker von steigenden Mobilitätskosten belastet werden. Ohne gezielte Unterstützungsmaßnahmen könnte ihr eingeschränkter Zugang zu umweltfreundlichen Mobilitätslösungen individuelle finanzielle Belastungen substanziell erhöhen und dadurch die soziale Akzeptanz der Verkehrswende gefährden.

Soziale Reformmaßnahmen
Um die Verkehrswende sozial gerecht zu gestalten, empfiehlt die Studie daher die Einführung einer Klimaprämie. Diese Maßnahme verteilt die zusätzlichen Einnahmen des Staates zurück an die Haushalte und würde vor allem einkommensschwache Haushalte entlasten. Gezielte Investitionen in öffentliche Verkehrsmittel und emissionsarme Mobilitätsoptionen in ländlichen Regionen würden dazu beitragen, dass sozial benachteiligte Gruppen nicht nur von der Klimapolitik profitieren, sondern auch ihre Mobilitätskosten senken können.

Leif Jacobs, Projektleiter der Studie am Fraunhofer FIT, betont: »Unsere Untersuchung zeigt, dass eine umweltorientierte Verkehrspolitik nicht zwangsläufig zu Lasten einkommensschwacher Haushalte gehen muss. Durch gezielte Maßnahmen können sowohl soziale Ungleichheiten abgebaut als auch die Umwelt wirksam entlastet werden.«

Die Studie verdeutlicht, dass die Verkehrswende nur dann erfolgreich sein wird, wenn sie sozial gerecht und breit akzeptiert ist. Langfristige Planung und Investitionen in umweltfreundliche Verkehrsinfrastrukturen sind unerlässlich, um sowohl ökologische Ziele zu erreichen als auch soziale Ungleichheiten beim Zugang zur Mobilität abzubauen. Angesichts der Dringlichkeit, die internationalen Klimaziele zu erreichen, ist rasches Handeln durch eine Kombination verschiedenster Maßnahmen notwendig. Die systematische Bewertungsübersicht der wichtigsten Untersuchungsergebnisse liefert eine kondensierte Grundlage für politische Entscheidungen.

Das Forschungsprojekt wurde im Rahmen des Ressortforschungsplans des Umweltbundesamts durchgeführt. Das Projektteam nutzte verschiedene Mikrosimulationsmodelle der Abteilung Mikrosimulation und Ökonometrische Datenanalyse des Fraunhofer FIT, darunter das Automobilsteuermodell CARMOD und das Einkommenssteuermodell MIKMOD-ESt, um die Verteilungswirkungen verkehrspolitischer Reformen detailliert zu analysieren. Diese Modelle basieren auf umfangreichen Einzeldaten und ermöglichen eine präzise Bewertung der Auswirkungen auf Haushalte, differenziert nach soziodemografischen Merkmalen, geografischer Lage und Fahrzeugverfügbarkeit.

Weitere Informationen

Systematische Bewertungsübersicht der wichtigsten Untersuchungsergebnisse. © Fraunhofer FIT