- Welche Auswirkungen hat die Einführung eines neuen Steuertarifs auf das Gesamtaufkommen der Einkommensteuer?
- Welche Einkommensklassen verlieren bzw. profitieren von dem neuen Tarif und in welcher Höhe jeweils?
- Welche Aufkommens- und Verteilungswirkungen haben andere Ansätze der Familienbesteuerung im Vergleich zum Ehegattensplitting?
- Was passiert mit dem Steueraufkommen, wenn das Kindergeld angehoben wird?
- Welche Steuermindereinnahmen kommen zustande, wenn der Solidaritätszuschlag abgeschafft wird?
Zur Beantwortung solcher und anderer Fragen wurde von MICRO das Einkommensteuer-Mikrosimulationsmodell MIKMOD-ESt im Rahmen einer Forschungskooperation mit dem Bundesministerium für Finanzen (BMF) entwickelt. Das Modell dient der empirischen Analyse von Aufkommens- und Verteilungswirkungen bei der Einkommensteuer, die sich aus unterschiedlichsten Reformvorhaben ergeben können.
Grundlage des Modells ist eine an den aktuellen Rand fortgeschriebene und angepasste Unterstichprobe der anonymisierten 10 Prozent-Stichprobe der (Lohn- und) Einkommensteuerstatistik. Um auch für zukünftige Jahre Prognosen abgeben zu können, wird die Datenbasis gemäß der prognostizierten wirtschaftlichen und demographischen Entwicklung laufend fortgeschrieben. Programmtechnisch besteht die Grundidee des Modells in der Abbildung des bestehenden Einkommensteuergesetzes in einem ausführbaren Java-Code. Dabei werden zahlreiche numerische Größen des Einkommensteuerrechts, wie etwa die Höhe des Kinderfreibetrags, die Werbungskostenpauschale, der Sparerfreibetrag usw. parametrisiert. Derzeit sind auf diese Weise über 240 Merkmale des Steuerrechts erfasst, und zwar insbesondere solche, bei denen sich im Zeitverlauf häufiger Änderungen ergeben haben oder die regelmäßig Gegenstand politischer Diskussionen sind. Wird ein solcher Parameter verändert, berechnet das Modell für alle Steuerpflichtigen die Steuerschuld im geltenden Recht sowie im Reformszenario und stellt unter Berücksichtigung der fallspezifischen Gewichtungsfaktoren umfangreiche Auswertungstabellen zu den aggregierten Gesamtwirkungen dar. Auch die Auswirkungen komplexer Reformvorschläge lassen sich prognostizieren. Hierzu müssen die Gesetzesvorhaben in entsprechende Änderungen im Java-Code übersetzt werden.
Zur praktischen Anwendung kommt das Modell seit dem Jahr 2007. Es wurde bereits im Vorfeld zahlreicher Reformvorhaben und für Schätzungen der Aufkommenswirkungen bestehender Gesetze verwendet. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Einführung des Bürgerentlastungsgesetzes wurde das Modell dazu verwendet, die Effekte einer erhöhten steuerlichen Absetzbarkeit von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung zu quantifizieren. Im Vorfeld der Konjunkturpakete wurden zahlreiche Schätzungen vorgenommen, die sich schwerpunktmäßig mit verschiedenen Kindergeldmodellen sowie mit zahlreichen Varianten geänderter Tarifvorschriften beschäftigten. Des Weiteren werden mit dem Modell regelmäßig für die vom BMF veröffentlichte Datensammlung zur Steuerpolitik Schätzungen zur Wirkung familienpolitischer Maßnahmen, wie des Kinderfreibetrags, des Förderanteils am Kindergeld oder des Ehegattensplittings, sowie Schätzungen zur Wirkung des Realsplittings für geschiedene Ehegatten oder des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende vorgenommen. Daneben dient das Modell auch als Grundlage für die Erstellung von Verteilungsanalysen, etwa der Aufstellung der Beiträge der Steuerpflichtigen zum gesamten Steueraufkommen nach Höhe Ihres zu versteuernden Einkommens. In jüngster Zeit finden die Ergebnisse des Mikrosimulationsmodells zur Aufkommenselastizität der Lohnsteuer auch Eingang in die offizielle Steuerschätzung des BMF.