SCeTGo – Science Center To Go

Experimente kommen vom Wissenschaftspark in die Schule

© Fraunhofer FIT

Wissenschaftsparks bieten ihren Besuchern ein breites Spektrum faszinierender Exponate zum Anfassen, Mitmachen und spielerischen Lernen. Dafür werden spezielle Ausstellungsstücke gebaut, die zum einen große Museumsgebäude und zum anderen erheblichen Wartungsaufwand erfordern. Die Exponate sind meist komplex und, da es sich um Einzelstücke handelt, recht teuer in der Herstellung. Die Projekte CONNECT und EXPLOAR haben gezeigt, dass Augmented Reality-Technik (AR) hier die didaktischen Möglichkeiten nochmals deutlich erweitern und die Flexibilität der Exponate vergrößern kann.

Konsequent genutzt führt das wachsende technische Potential durch AR zusätzlich in eine weitere Richtung: Zu einem »Wissenschaftspark in der Westentasche« mit augmentierten Exponaten, die das spielerische Experimentieren und Lernen überall möglich machen. Als erster Prototyp wurde ein miniaturisiertes Modell einer Flugzeugtragfläche um einen virtuellen Luftstrom und virtuelle Kraftpfeile erweitert. Erste Tests waren sehr vielversprechend, das System fand bei Präsentationen großen Zuspruch. So entstand die Idee, einen Experimentierkoffer mit einem ganzen Satz solcher AR-Einheiten zum Lernen zu entwickeln, der sich besonders für den Einsatz an Schulen eignen sollte.

Mittlerweile wurde ein erster Koffer fertig gestellt, der zurzeit an Schulen in Finnland, Griechenland, Rumänien, Spanien, Schweden und Großbritannien evaluiert wird. Die Exponate werden sowohl mit Lehrern auf Lehrerfortbildungen als auch in Schulklassen der Jahrgänge 4-12 getestet. Bei der Entwicklung wurde auch auf eine Einbindung in den Lehrplan geachtet. Ein wesentlicher Aspekt des Science Center To Go ist der Verzicht auf spezielle Hardware, so dass der Koffer auch am heimischen PC außerhalb der Schule genutzt werden kann.

Die Ergebnisse der Testphase sollen zur Weiterentwicklung des Experimentier-Sets dienen. Das Projektkonsortium möchte in möglichst naher Zukunft Produktreife erlangen, um dann mit einem Produktionspartner das Set in Serie zu produzieren und international anbieten zu können.

Experimentierkoffer.
Bernoulli-Effekt.
Doppler-Effekt.

Momentan enthält der Koffer fünf Exponate.

Bernoulli-Effekt

Dieses Exponat besteht aus dem Modell einer Flugzeugtragfläche. Der Flügel ist um eine Achse drehbar gelagert. Ein kleiner USB getriebener Ventilator erzeugt einen Luftstrom. Der Luftstrom wird mit Hilfe des AR-Systems visualisiert. Eingeblendete Kräftepfeile zeigen Auftrieb und Luftwiderstand. Ändert der Anwender den Anstellwinkel des Flügels, so wird in Echtzeit die visualisierte Information angepasst. Es kann zudem zwischen mehreren Flügelformen gewählt werden. Lernende können so die physikalischen Vorgänge, hier den Bernoulli-Effekt, experimentell erkunden. Durch das genaue Einbetten virtueller Informationen in die Realität wird die Glaubhaftigkeit der dargestellten Information für den Lernenden erhöht und der Lerneffekt vertieft.

Doppelkegel-Experiment

Bei diesem Experiment lässt man Objekte eine schiefe Ebene herunterrollen. Das Exponat besteht aus zwei auseinanderlaufenden Schienen, die an einem Ende beweglich verbunden sind. Die beiden anderen Enden liegen auf kleinen Rampen. Der Lernende kann also sowohl den Öffnungswinkel als auch die Steigung der Schienen variieren. Als Rollkörper stehen drei unterschiedlich spitze kegelförmige Objekte und ein Zylinder zur Verfügung. Das Spannende: Je nach Wahl des Rollkörpers, Schienenstellung und Neigungswinkel kann es vorkommen, dass das Objekt entgegen der Steigung aufwärts zu rollen scheint. Der Zusammenhang dieser Parameter und deren Auswirkung auf die Rollrichtung lassen sich durch ein mathematisches Modell in einer Formel beschreiben. Die Formel wird am oberen Bildrand eingeblendet und in Echtzeit angepasst. Über Farben wird dem Lernenden verdeutlicht, wie Teile der Formel mit realen Parametern des anfassbaren Modells korrespondieren. Dadurch verliert die Formel ihre Abstraktheit und wird »anfassbar«.

Doppler-Effekt

In diesem Experiment kann eine Schallquelle in Form eines Feuerwehrautos in Relation zu einem Hörer bzw. einem Mikrofon bewegt werden. Der Anwender hört, wie sich die Bewegung der Objekte auf die Tonhöhe auswirkt und kann somit beispielsweise den bekannten Doppler-Effekt nachbilden, indem er das Feuerwehrauto an dem Mikrophon vorbeiführt. Durch den verringerten Maßstab reichen in diesem Experiment bereits kleine langsame Bewegungen, um den Effekt zu hören. Dabei werden die Schallwellen visuell dargestellt, um das Verständnis für den Effekt weiter zu erhöhen.

Doppelspalt-Experiment

Ein anderes Phänomen zur Wellenausbreitung zeigt das Doppelspaltexperiment. Der Lernende kann mit einer Partikelkanone auf einen Einfach- oder Doppelspalt schießen und sich das daraus resultierende Muster anschauen. Alternativ können die Partikel durch Elektronen oder Wellen ersetzt werden, welche nach Durchdringen des Doppelspalts ein Interferenzmuster abbilden. Der Lernende kann sowohl zwischen verschiedenen Doppelspaltabständen wählen, als auch deren Abstand zur Quelle ändern. Das Experiment kann von verschiedenen Winkeln beobachtet werden und ermöglicht so Einblicke in die Quantenphysik.

Boltzmann-Experiment

Dieses Exponat besteht aus einem Kühlschrank, einer Heizplatte und einem Thermometer, die über USB betrieben werden. Lernende können die Verteilung von Wärmeenergie an verschiedenen Orten des Experiments fühlen, messen oder auf Molekularebene beobachten. Zudem wird mittels einer Einblendung der Bezug zur Maxwell-Boltzmann-Verteilung hergestellt.