Aufgrund des fortschreitenden demographischen Wandels wird der Anteil pflegebedürftiger Menschen in Deutschland von derzeit ca. 3,5 Mio. auf voraussichtlich 4,4 Mio. in 2040 zunehmen.1 Die Versorgung dieser Menschen setzt erhebliche gesellschaftliche Anstrengungen voraus, wobei die familiäre Pflege als tragende Säule anzusehen ist. So werden derzeit ca. 70% der Pflegebedürftigen durch pflegende Angehörige betreut, wodurch dem mehrheitlichen Wunsch älterer Menschen entgegengekommen wird, solange wie möglich in der häuslichen Umgebung verbleiben zu können.
Viele pflegende Angehörige sind Doppelbelastungen ausgesetzt, da sie Familie, Beruf und Pflege miteinander vereinbaren müssen. Oftmals verfügen sie auch nicht über die nötigen Informationen, um Entlastungsangebote wie Tagespflege in Anspruch zu nehmen oder die Pflege ressourcenschonender, z.B. rückenentlastend, auszuführen.
Zur Unterstützung pflegender Angehöriger wie auch Sicherstellung der Pflegequalität wurde der im häuslichen Setting stattfindende Pflegeberatungsbesuch nach §37.3. SGB XI gesetzlich verankert. Hierbei soll die Pflegesituation durch eine Pflegefachkraft eingeschätzt und beraten werden, z.B. indem ein Hilfsmittel oder ein Mobilitätstraining bei erkannter Sturzgefahr vorgeschlagen wird. Aber auch der Belastungsgrad pflegender Angehöriger soll ermittelt und bei Überlastungen mit Gegenmaßnahmen entgegengewirkt werden. Ziel ist es die häusliche Pflegesituation zu stabilisieren und unter Berücksichtigung der Bedürfnisse aller Beteiligten möglichst lange aufrechterhalten zu können.
Aufgrund der pflegefachlichen Ausrichtung dieser Beratung wird der Pflegeberatungsbesuch nach §37.3 SGB XI meist von einem durch die Betroffenen selbst ausgewählten Pflegedienst durchgeführt. In 2017 wurden 2,66 Mio. Pflegebedürftige zu Hause versorgt, dabei 1,9 Mio. allein durch Angehörige.2 Daraus ergibt sich die Durchführung einer Pflegeberatung nach §37.3 SGB XI in 3,61 Mio Fällen.3 Bislang gibt es allerdings keine Qualitätsstandards, die konkrete Inhalte des Beratungsbesuchs festlegen, er wird deswegen sehr uneinheitlich durchgeführt, die Dokumentation wird sehr unterschiedlich gehandhabt und erfolgt in Printform. Dadurch wird die Vorbereitung einer Pflegefachkraft auf Folgebesuche erheblich erschwert und die Weitergabe von Informationen zum gesundheitlichen Zustand eines Pflegebedürftigen sowie der häuslichen Pflegesituation an andere Mitversorger wie Hausärzte oder Krankenhaus nahezu unmöglich.
Um das Potenzial des Pflegeberatungsbesuch nach §37.3 SGB XI zur Unterstützung der häuslichen Pflegesituation besser nutzen zu können, ist es Ziel von INGE:
Fraunhofer FIT ist in diesem Projekt vor allem an dem User Requirements Engineering Prozess beteiligt, der Gestaltung der Architektur sowie dem Aufbau der Machine Learning Komponente und stellt die Serviceplattform zur Verfügung.
1 https://www.aok-bv.de/imperia/md/aokbv/hintergrund/dossier/pflege/pressemitteilung_pflege_report_2019.pdf
2Vgl. Destatis (2018)
3Die Beratungseinsätze müssen Pflegebedürftige: i) in den Pflegegraden 2 und 3 einmal halbjährlich und ii) in den Pflegegraden 4 und 5 einmal vierteljährlich, siehe den gesetzlich vorgeschrieben Intervall der Inanspruchnahmen.
Projektlaufzeit: 01.01.2020-31.12.2022
Das Vorhaben wird mit Mitteln des Landes NRW und der EU im Rahmen des OP EFRE NRW 2014-2020 gefördert (Leitmarktwettbewerb Gesundheit.NRW).
Offizielle Projektseite: www.gewi-institut.de/projekte/inge